Checkliste Scheinselbstständigkeit
02. August 2022
Lesedauer: 3:45 Minuten
Hast du dich auch schon mal gefragt, wer eigentlich die Pflicht hat abzuklären, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt?
Eine Frage, die richtig teuer werden kann.
Die Antwort ist aus rechtlicher Sicht simpel: DU!
Der Gesetzgeber sieht den Studiobetreiber als Auftraggeber als Übeltäter an.
Bei einer behördlich festgestellten Scheinselbstständigkeit muss der
Studiobetreiber alle „hinterzogenen“ Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen plus Zinsen und rückwirkend bis zu 5 Jahren. Hinzukommen kann dann auch noch ein Strafverfahren.
Als
Honorartrainer kommst du hingegen eher glimpflich davon, da du maximal für die letzten 3 Monate Nachzahlungen leisten musst.
Es ist aber auch ein verdammt schwieriges Thema:
•Es existiert keine Definition für den Begriff „Scheinselbstständigkeit“.
Letztlich geht es bei der Bezeichnung „Scheinselbstständigkeit“ um eine Abgrenzung zwischen angestellter Tätigkeit einerseits und Selbstständigkeit andererseits.
•Es gibt keine verbindlichen Merkmalen, um eine Scheinselbstständigkeit festzustellen.
Bei einer Prüfung wird immer der Einzelfall betrachtet und entscheidend ist das Zusammenspiel verschiedener Faktoren.
Und woher soll ich das dann wissen?
Es gibt schon Kriterien an denen man sich orientieren kann.
Wenn folgende Punkte erfüllt und im Vertrag verankert werden, ist eine Scheinselbstständigkeit sehr unwahrscheinlich.
- Die Tätigkeit unterscheidet sich von anderen angestellten Trainern.
- Es ist dem Honorartrainer erlaubt auch bei der Konkurrenz zu arbeiten.
- Die Tätigkeit ist auf ein „Projekt beschränkt“ und nicht dauerhaft.
- Der Trainer hat auch noch eigene Räumlichkeiten.
- Der Trainer kann Urlaub und Abwesenheitszeiten frei wählen.
- Trainer tritt im eigenen Namen und nicht für das Studio auf.
- Der Trainer nutzt eigene Arbeitsmittel.
- Der Trainer tritt am Markt selbst unternehmerisch auf und kann Aufträge ablehnen.
- Das Honorar ist nicht erfolgsabhängig und kann selbst festgelegt werden.
- Der Trainer hat eigene Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig angestellt oder könnte es tun.
- Der Trainer ist berechtigt Unteraufträge an Hilfskräfte/ Freelancer zu vergeben.
Besonderheit Kurstrainer:
Ja natürlich gibt es einen Kursplan mit vorgegebenen Zeiten. Das ist auch nicht schlimm, wenn dafür andere Kriterien erfüllt werden:
- Tätigkeit ist zeitlich beschränkt, z.B. „12 Sondertermine Zumba mit Melanie“ oder „Sommerkurs mit Alex“
- Trainer nutzt größtenteils eigenes Material
- Trainer kann Inhalt des Kurses frei bestimmen
- Trainer kann den Urlaub selbst festlegen
- Trainer trägt keine Kleidung mit Aufschrift des Studios
- Trainer trägt eigenes unternehmerisches Risiko und tritt unternehmerisch nach Außen auf (z.B. eigene Website, Werbung für sich, eigene Telefonnummer für Rückfragen, …)
Die Krux mit dem Statusfestellungsverfahren
Es gibt einen „offiziellen“ Weg vorab die Scheinselbstständig feststellen zu lassen. Dazu leitet man bei der Clearing-Stelle der deutschen Rentenversicherung (DRV) ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren (auch Anfrageverfahren) ein.
Das Problem dabei ist, dass bereits im Antragsformular nicht nur tatsächliche Umstände, sondern in vielen Punkten auch rechtliche Wertungen abgefragt werden.
Letztlich sollte man auch nicht vergessen, dass die Bewertung durch die DRV stattfindet und diese im Zweifelsfall eher für „scheinselbstständig“ entscheidet (immerhin geht es ja auch um Rentenversicherungsbeiträge).
Und wenn es mich erwischt?
Solle die Rentenversicherung zu dem Ergebnis kommen, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, kann es durchaus hilfreich sein, die Erfolgsaussichten einer Klage anwaltlich prüfen zu lassen. Wie bereits gesagt, gibt es weder einer Definition noch verbindlichen Merkmale für eine Selbstständigkeit. Hingegen gibt es ein paar gute Urteile des Bundessozialgerichts, die der DRV widersprochen und die Selbstständigkeit bejaht haben.
Und noch was: Stellt sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis dar, kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass die für freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet gewesen ist. Im Normalfall bezahlt mein Freiberufler ja mehr Honorar, weil man eben keinen Sozialabgaben, Urlaub usw. bezahlen muss. Das heißt, du als Arbeitgeberkannst die Rückzahlung überzahlter Honorare vom Trainer verlangen.
Freiberufler oder Freelancer?
Ein ganz anderes Thema ist die Frage, ob der Trainer/ die Trainerin freiberuflich tätig ist oder nur als freier Mitarbeiter. Dabei geht es darum, ob man Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen muss oder eben nicht. Wer dazu mehr wissen will, findet dazu auch etwas auf meinem Blog:
„Personal Trainer: Freiberufler oder Gewerbetreibender?“
Noch Fragen?
Dann vereinbare gerne ein kostenloses Kennlerngespräch mit mir .
Sportliche Grüße
Julia
|
Julia Ruch
Triathletin, Anwältin für Sportrecht &
Expertin für Rechtssicherheit im Training und Wettkampf
aktivKANZLEI
|
d Artikel in E-Mail als Link verschickend Weitere interessante Artikel und Videos
Newsletter: Bleiben Sie auf dem Laufenden!
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit unserem Newsletter zu den Blogbeiträgen. Melden Sie sich an und erhalten Sie einmal die Woche interessante Neuigkeiten aus der Welt des Sportrechts!
Verständlich und praxisnah erkläre Ich Ihnen in Artikeln und Videos interessante Rechtsprobleme und gebe Ihnen konkrete Tipps zur Fehlervermeidung in der Praxis.
d News abonnieren