Scheinselbstständigkeit bei Kurstrainer: So arbeiten doch alle! – Oder doch nicht?

10. September 2024 Lesedauer: 3:30 Minuten
Yogaklasse

Denkst du dir beim Thema Scheinselbstständigkeit auch: „das machen doch alle so, dann kann das doch nicht falsch sein“ und „warum soll ich jetzt so einen Aufwand mit meinen Kurstrainern betreiben, bisher ist auch nichts passiert“?

Um dies aber wirklich beurteilen zu können, braucht es umfassende Kenntnisse, was bei einer Betriebsprüfung passiert und welche Prüfkriterien von der DRV aktuell herangezogen werden, um eine abhängige Beschäftigung (Scheinselbstständigkeit) festzustellen. Und gerade diese Prüfkriterien haben sich in den letzten Jahren massiv geändert.

Daher möchte ich heute nochmal eine Frage von euch aufgreifen und für alle beantworten (ja ich weiß, das Thema dominiert in letzter Zeit).

FRAGE:
Wir haben auch eine Frage zum Thema „Selbstständig im Nebenerwerb“. Wir haben eine Kurstrainerin, die sich selber nicht als scheinselbstständig ansieht, weil folgende sie Punkte erfüllt:

  1. Nebenberuflich als freiberufliche Trainerin tätig und hat dafür ein Gewerbe angemeldet.
  2. Die nebenberufliche Tätigkeit ist nicht Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit. Die Nebeneinkünfte liegen aber oberhalb von 538 €.
  3. Die Dienste werden Business to Business angeboten, D.h. alle Kunden sind Institutionen, keine Privatpersonen. Diese Aufträge generiert sie selbst. Nicht nur bei uns. Mit den KursteilnehmerInnen hat sie niemals Geschäftsbeziehungen, lediglich mit dem Institut/Veranstalter.
  4. Keine eigenen MitarbeiterInnen.


Wir fragen uns:
Wenn doch „alle“ genau „so“ arbeiten (Kursleitung stellt Rechnung), wieso soll unsere Kursleitung das nicht können!?

Wenn es doch so viele machen (quasi alle Yoga-Kursleitungen), machen die es dann wirklich in einem nicht rechtlich sauberen Bereich??

Bitte ordne dies noch mal für uns ein und gib uns einen Lösungsvorschlag.



Da das Thema einfach zu wichtig ist und es mein Ziel ist, dass alle ein fundiertes Basiswissen haben, um ihre eigene Situation richtig einschätzen zu können, teile ich meine ANTWORT hier mit euch.

Los geht`s:

1. Selbstständige Honorartrainer

Natürlich ist eine selbstständige Honorartätigkeit als Kurstrainerin möglich, entscheidend ist aber die Ausgestaltung der Tätigkeit und ein unternehmerisches Auftreten der Kurstrainerin.

Bei einer Betriebsprüfung durch die DRV wird geschaut, ob sich die Tätigkeit der Honorartrainerin von der Tätigkeit einer angestellten Kurstrainerin unterscheidet.

Wenn dies nicht der Fall ist, stellt die DRV eine abhängige Beschäftigung fest und für diese müssen Sozialabgaben gezahlt werden (das Studio rückwirkend bis zu 4 Jahre – die Kurstrainerin rückwirkend für 3 Monate).

Der Fokus bei den Prüfkriterien der DRV liegt aktuell auf der unternehmerischen Freiheit und einem wirtschaftlichen Risiko. Wenn dies nicht gegeben ist, wird oftmals Scheinselbstständigkeit festgestellt.

Besonders wichtig ist daher eine eigene Website, laufende Kosten, eigene Akquise, Investitionen, Gewinnerzielungsabsicht, keine Nennung auf der Team-Seite (und wenn dann als Kooperationstrainerin), keine sonstigen Aufgaben wie z.B. Check-in... usw.

Die Punkte, dass Sie keine eigenen Mitarbeiter hat und dass Sie keine eigenen Verträge mit den Kursteilnehmern schließt, spricht eher gegen eine Selbstständigkeit als dafür.


2. Selbstständig im Nebenerwerb

Für Honorartrainer die eine andere Haupttätigkeit haben, bei der bereits vollumfängliche Sozialabgaben bezahlt werden, kann es sein, dass wenn folgende weitere Voraussetzungen vorliegen, keine zusätzlichen Abgaben mehr bezahlt werden müssen:



Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, kann Sie sich von der Krankenkasse UND der DRV bestätigen lassen, dass für diese Tätigkeit keine gesonderten Sozialabgaben abgeführt werden müssen.

Aber wie du schreibst, sind diese nicht alle erfüllt. Aufgrund der höheren Einnahmen kann Sie sich zumindest im Bereich Rentenversicherung nicht auf den „Sonderstatus“ als Selbstständige im Nebenerwerb berufen.


3. Rentenversicherungspflicht

Ob die Honorartrainerin rentenversicherungspflichtig ist oder nicht, hat nichts mit ihrem Hauptjob zu tun und auch nicht mit dem Thema Scheinselbstständigkeit.

Ob jemand rentenversicherungspflichtig ist oder nicht, richtet sich allein nach der selbstständigen Tätigkeit und muss unabhängig von der Scheinselbstständigkeit geprüft werden.

Wenn Sie ausschließlich Kurstrainerin ist, wird sie im Normalfall als „unterrichtende Person“ (= Lehrer) eingeordnet und ist damit versicherungspflichtig in der RV.

Sie gilt dann eigentlich als Freiberuflerin und muss keine Gewerbesteuer bezahlen. Ich bin daher etwas irritiert, dass sie ein Gewerbe angemeldet hat. Dies wäre z.B. bei 1:1 Personaltraining erforderlich gewesen.


FAZIT:
Entscheidend ist die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit, also ob die Kurstrainerin unternehmerische Freiheiten bei euch hat und ob sie ein wirtschaftliches Risiko trägt oder doch eher mit einer angestellten Kurstrainerin vergleichbar ist (fehlende Website, fehlende laufende Kosten, fehlende Akquise, fehlende Gewinnabsicht, ...).

Es kommt also auf die Praxis und auf die Kurstrainerin an. Daher kann man es leider nicht verallgemeinern und sagen „alle machen es so“.

Wenn ihr das Risiko von „alle machen das so“ realistisch abschätzen wollt, müsst ihr euch mit jemanden unterhalten, der auch Kurstrainer auf Honorarbasis beschäftigt und schon mal eine Betriebsprüfung durch die DRV durchlaufen hat. Da wird es kaum jemanden geben, der euch bestätigt „war gar kein Problem“.

Wer auf Nummer sicher gehen will, leitet ein Statusfeststellungsverfahren ein. Das macht aber nur vorher Sinn bzw. im ersten Monat der Tätigkeit.

Achtung: Wer mehrere Kurstrainer hat und für einen ein Statusfeststellungsverfahren einleitet und dann eine abhängige Beschäftigung festgestellt wird, wird sicherlich geprüft. In dieser Prüfung werden dann ALLE anderen Trainer auch geprüft und das kann im worst case richtig teuer werden.


LÖSUNG 1: Die Trainerin auf Minijob-Basis anstellen. Warum das aber keine ideale Lösung ist, habe ich in einem Blogartikel beschrieben:
„https://www.aktivkanzlei.de/blog/scheinselbststandigkeit-bei-honorartrainern “


LÖSUNG 2: Die Tätigkeit und die Verträge derart gestalten, dass die Prüfkriterien der DRV bei einer Betriebsprüfung bestmöglich abgedeckt sind.

Hier ist unser Beratungspaket dafür:




Viele sportliche Grüße

Julia



Julia beim Trainieren Julia Ruch
Triathletin, Anwältin für Sportrecht &
Expertin für Rechtssicherheit im Training und Wettkampf

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