FernUSG 2025: Fatale Urteile gegen Online-Kurs-Anbieter

11. März 2025 Lesedauer: 3:30 Minuten
Online Kurs

- neue Urteile verschärfen Situation
Verkaufst du Online-Kurse? Dann haben wir heute leider keine guten Nachrichten für dich.

Das Amtsgericht Vechta, Urteil vom 20.01.2025 (Az: 11 C 464/24) verurteilte die Lion & Crown GmbH zur Rückzahlung von bereits gezahltem Coaching-Honorar in Höhe von 2.037,86 Euro zuzüglich Zinsen, weil ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorlag. Aufgrund dessen erklärte das Gericht den Coaching-Vertrag für nichtig, da er als wucherähnliches Rechtsgeschäft sittenwidrig ist.

Okay, das ist doch nur fair.

Wenn man über den Tisch gezogen wird oder unter Druck dazu verleitet wird einen Vertrag abzuschließen, für den ist das Recht da. Das muss akzeptiert werden.

Aber was vor Kurzem in Köln und Oldenburg entschieden wurde, ist einfach nicht nachvollziehbar und geht an der Realität und dem Gesetz vorbei!

Das Amtsgericht Köln hat die CopeCart GmbH, die als Plattform ein Coaching für einen Anbieter vertrieb, zur Rückzahlung des bereits geleisteten Coaching-Honorars in Höhe von 1.800,00 Euro zuzüglich Zinsen verurteilt. Im Urteil vom 17.02.2025 (Az.: 168 C 91/24) heißt es:

„Das vorliegend angebotene Coaching sollte auch überwiegend räumlich getrennt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG erfolgen. Insoweit ist es ausreichend, dass sich Lehrender und Lernender während des Unterrichts an verschiedenen Orten aufhalten. […] Das Schutzbedürfnis ist zudem bei Unterrichtsangeboten in Form von Videokonferenzen, die mit verhältnismäßig geringen Investitionen durchgeführt und gerade über sogenannte soziale Medien unschwer mit großer Reichweite beworben werden können, erheblich gegenüber Angeboten in Präsenzform gesteigert (so auch OLG Celle Urteil vom 24.9.2024 – 13 U 20/24 m.w.N.). Es bedarf daher vorliegend keiner Entscheidung, welcher Teil der Wissensvermittlung synchron und welcher asynchron erfolge sollte.“

WAAAASSSS?

Natürlich hätte dies beurteilt werden müssen, denn nur wenn alle 4 Voraussetzungen aus dem Fernunterrichtsschutzgesetz vorliegen, ist das Gesetz auch anwendbar.

Nach § 1 Abs. 1 des FernUSG muss ein Online-Kurs zertifiziert werden, wenn er unter den Begriff Fernunterricht fällt. Fernunterricht wiederum ist die ...

entgeltliche Vermittlung („kostenlose“ Online-Kurse gehören nicht dazu)

• von Kenntnissen und Fähigkeiten (reine Freizeitkurse gehören nicht dazu, z.B. „wie topfe ich richtige Blumen um“)

• bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind

und

• der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.
Wird eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, muss der Kurs auch nicht zertifiziert werden. Dass das Gericht den „Schutzgedanken“ über die gesetzlichen Voraussetzungen stellt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Spätestens mit Corona hat sich die Online-Welt jedoch massiv verändert. Dies muss auch bei der Auslegung von Gesetzen berücksichtigt werden.

Aber es geht noch schlimmer!

Noch härter hat das Berufungsgericht OLG Oldenburg, Urteil vom 18.12.2024 (Az.: 2 U 123/24) entschieden. Dies ist nämlich erstmals auch auf die konkrete Verteilung eingegangen. Im Urteil heißt es:

„Ohne Erfolg wird mit der Berufung eingewandt, dass der Coaching-Anteil mit 208 Stunden gegenüber den Videolektionen von 29,6 Stunden überwiege, so dass der Schwerpunkt des Vertrages gerade nicht in der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten liege. Denn auch oder gerade beim Coaching geht es nach Auffassung des Senats darum, den Teilnehmern Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Die abweichende Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts für sog. „Mentoring-Verträge“ (vgl. Urt. vom 20.02.2024 – 10 U 44/23) teilt der Senat nicht.“

Meiner Ansicht nach verkennt das Gericht aber hier, dass Coaching in Abgrenzung zum Unterricht eben keine Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln soll, sondern der Coach dem Kunden hilft eigene Lösungen zu finden und diese umzusetzen.

Eins steht fest:
Die klare Haltung, die wir Anwälte aus den Aussagen der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht und dem Gesetz abgeleitet haben, nämlich das es ausreicht, wenn nachweislich mehr Stunden synchron erfolgen, ist seit den Urteilen aus 2025 nicht mehr ohne Risiko vertretbar.

Wir können die Entscheidungen der Gerichte nicht nachvollziehen.

Der Schutzgedanke vor schwarzen Schafen in allen Ehren, aber auf uns macht es den Eindruck, als wenn man die Digitalisierung ausbremsen will und so den leichten Zugang zu (Hilfs-)Angeboten verhindert.

Was bedeutet das jetzt für dich?

Ein eindeutiger Rat fällt hier schwer.

Immer mehr Anwälte – so auch der bekannte YouTube Anwalt Christian Solmecke – haben mit dem FUSG ein neues Geschäftsfeld entdeckt und rufen dazu auf, seine Coaching-Vertrag überprüfen zu lassen.

Uns fallen aber auch genug Argumente gegen eine Anwendung des FUSchG ein, daher würden wir es gerne mal drauf ankommen lassen und mit einem solchen Fall vor Gericht gehen. Wir brauchen einfach mehr Urteile wie das vom Hanseatischen Oberlandesgericht. Aber ja, das ist risikoreich und kostet Zeit, Geld und Nerven.

Rein aus juristischer Sicht halten wir allerdings nichts von „wird schon gut gehen“ oder „wo kein Kläger, da kein Richter“. Jeder sollte sein Kurskonzept überprüfen, ob das FUSG anwendbar ist.

Bei hochpreisigen Konzepten sollte man über eine Zertifizierung nachdenken. Denn im „worst case“ können Kunden, sollte eine Zertifizierung erforderlich sein, auch noch 3 Jahre ab Ende des Jahres, in dem die Gebühr bezahlt wurde, diese zurückverlangen. Das gilt übrigens auch, wenn der Kurs komplett absolviert wurde.

Es ist eine Risiko-Abwägung.

Wenn mein gesamtes Business auf dem Online-Lernkonzept basiert, sollte dieses auch alle rechtlichen Erfordernisse erfüllen. Wenn der „Fernunterricht“ nur ein zusätzlicher, kostengünstiger Teil ist, kann die Abwägung gegebenenfalls anders ausfallen.

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Viele sportliche Grüße

Julia



Julia beim Trainieren Julia Ruch
Triathletin, Anwältin für Sportrecht &
Expertin für Rechtssicherheit im Training und Wettkampf

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