Therapiezeit verlängern: Was du rechtlich beachten musst
22. Oktober 2024
Lesedauer: 3:00 Minuten
Als Therapeut kennst du das: du brauchst eigentlich mehr Zeit für einen optimalen Behandlungserfolg und deine Patienten wünschen sich mehr Zeit. Einige würden dies auch gerne aus eigener Tasche bezahlen.
Doch Vorsicht:
Nicht alles, was nach einer Win-Win-Situation aussieht, ist auch rechtlich zulässig.
Ich nehme es mal vorweg:
Auch wenn einige deiner Kollegen „zusätzliche Therapiezeiten“ verkaufen, aus rechtlicher Sicht ist eine pauschale Therapiezeitverlängerung ohne Verordnung nur in ganz bestimmten Konstellationen möglich.
Da das viele Therapeuten nicht wissen (vielleicht auch nicht wissen wollen) oder sich schlichtweg keine Gedanken darüber gemacht haben, möchte ich dich heute darüber informieren, welche Fallstricke du vermeiden solltest und wie du dennoch ganz legal zusätzliche Leistungen anbieten kannst – ohne Stress und Regressgefahr.
Die rechtliche Lage: Wichtige Einschränkungen
Als Physiotherapeut bist du grundsätzlich an die Verordnung eines Vertragsarztes gebunden. Gemäß § 3 Abs. 1 der Heilmittel-Richtlinie (HeilM-RL) darf die Behandlungszeit nur im Rahmen der ärztlichen Verordnung erfolgen. Wenn der Arzt eine bestimmte Behandlungsdauer vorgibt, bist du als Therapeut daran gebunden und darfst diese nicht eigenmächtig verlängern.
Private Zuzahlungen zu Rezepten von Kassenpatienten sind daher nicht möglich. Du darfst also nur die verordnete Leistung erbringen. Darüberhinausgehende Erweiterungen sind unzulässig und können zu Regressen führen.
Fazit: Als Physiotherapeut hast du also keine Möglichkeiten, eigenständig die Therapiezeit einer Verordnung gegen Aufpreis zu verlängern.
Gut zu wissen:
Sei vorsichtig in deiner Kommunikation. Dem Patienten zu erzählen, dass eine Therapie nur mit einer verlängerten Behandlungszeit erfolgreich sein kann, wird als irreführend eingestuft und kann rechtliche Konsequenzen für dich haben.
Laut § 16 Abs. 5 HeilM-RL musst du nämlich die Behandlung abbrechen und den behandelnden Arzt informieren, wenn mit der verordneten Heilmittelbehandlung das Therapieziel nicht erreicht werden kann. Ein eigenmächtiges Handeln ist nicht gestattet. Selbst wenn du davon überzeugt bist, dass es nur mit einer verlängerten Therapiezeit funktioniert, verzichte lieber auf solche Äußerungen gegenüber dem Patienten.
Was tun, wenn eine Therapiezeitverlängerung gewünscht ist?
Trotz der strengen Vorgaben gibt es verschiedene rechtlich zulässige Möglichkeiten, um zusätzliche Leistungen anzubieten oder mehr Zeit für die Behandlung zu gewinnen.
Lösung Nr. 1: Die Rolle des (sektoralen) Heilpraktikers
Wenn du als Physiotherapeut auch als sektoraler Heilpraktiker zugelassen bist, kannst du die Verordnung für zusätzliche Physiotherapie selbst ausstellen. Je nach Diagnose kannst du dann jede physiotherapeutische Behandlung samt Behandlungszeit verordnen, die du für erforderlich erachtest.
ACHTUNG: Wenn diese Zusatzleistungen im zeitlichen Zusammenhang mit der Kassenbehandlung erbracht werden, ist zwingend darauf zu achten, dass die Kassenbehandlung als solche vertragskonform erbracht wird (= Dokumentation).
Über die zusätzlichen Leistungen sollte dann ein schriftlicher Behandlungsvertrag geschlossen (= Einwilligung Patient) und darauf hingewiesen werden, dass die Leistungen nicht bzw. nur eingeschränkt (bei Privatpatienten) übernommen werden (= erforderliche Transparenz).
Das Delegieren dieser zusätzlichen Behandlungen an andere Physiotherapeuten ist rechtlich umstritten. In einigen Bundesländern wird dies toleriert, in anderen jedoch abgelehnt. Daher solltest du, falls du delegieren möchtest, dies vertraglich festhalten und den Patienten informieren, dass er dennoch die Wahl hat, sich anderweitig behandeln zu lassen.
Lösung Nr. 2: Privatrezept vom Arzt
Eine weitere Option ist, den Patienten zu ermutigen, den behandelnden Arzt um ein Privatrezept zu bitten. Dies wird der Arzt tun, wenn er die physiotherapeutische Behandlung zwar befürwortet, jedoch aus Budgetgründen kein Kassenrezept ausstellen kann.
Mit einem Privatrezept kann der Patient auch von Physiotherapeuten ohne sektorale Heilpraktikererlaubnis behandelt werden.
Lösung Nr. 3: Blankoverordnung
Ab November 2024 startet (voraussichtlich) die Blankoverordnung. Therapeuten dürfen dann für
Diagnosen im Bereich der Schulter selbst über das Heilmittel, die Therapiedauer pro Termin, die Frequenz und (in einem definierten Rahmen) über die Anzahl der Behandlungen pro Verordnung entscheiden.
Es bleibt jedoch dabei, dass zunächst der Arzt wie gewohnt die Diagnose stellt und die Entscheidung darüber trifft, dass Physiotherapie notwendig ist.
Im Rahmen der Blankoverordnung erbrachten physiotherapeutischen Maßnahmen werden in gleicher Höhe wie in der „normalen“ physiotherapeutischen Versorgung nach § 125 Absatz 1 SGB V vergütet.
Lösung Nr. 4: Zusatzleistungen für Wohlbefinden und Fitness
Eine elegante Möglichkeit, zusätzliche Behandlungszeiten anzubieten, besteht darin, nicht-therapeutische Leistungen ins Programm aufzunehmen. Diese Leistungen dürfen nicht der Heilung dienen, sondern lediglich dem allgemeinen Wohlbefinden oder der Fitness. Beispiele dafür sind:
- Ergänzende Gesundheitsleistungen
- Individuelle Therapieergänzungen
- Präventionsgymnastik
- Wohlfühl-Therapie
Da für diese Leistungen keine ärztliche Verordnung erforderlich ist, können Sie sie eigenständig anbieten.
WICHTIG: Auf der Rechnung dürfen dann aber auch nur Leistungen aufgeführt werden, die keine ärztliche Verordnung erfordern
UND
solche Angebote sind nicht umsatzsteuerbefreit, während Leistungen eines sektoralen Heilpraktikers, die unter die Heilbehandlung fallen, steuerlich begünstigt werden.
Fazit:
Keine pauschale Verlängerung der Therapiezeit möglich, aber Alternativen vorhanden!
Mach dir bewusst, dass eine pauschale Therapiezeitverlängerung bei Kassenpatienten ohne Verordnung nicht zulässig ist und zu Regressforderungen führen kann. Jedoch gibt es verschiedene Lösungen, um zusätzliche Leistungen im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben anzubieten – sei es durch eine eigene Heilpraktikerzulassung, über Privatrezepte oder durch Zusatzangebote für das allgemeine Wohlbefinden.
Gar nicht so einfach, sich immer korrekt zu verhalten und seine Rechte durchzusetzen, aber mit der
aktivKANZLEI durchaus machbar.
Wenn du dich rechtlich absichern willst, vereinbare gerne ein kostenloses Kennlerngespräch. Wir zeigen dir gerne, wie wir dich dabei unterstützen können.
Ich würde mich freuen zu hören, wie viele Kunden Du zurückgewinnen konntest.
Viele sportliche Grüße
Julia
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Julia Ruch
Triathletin, Anwältin für Sportrecht &
Expertin für Rechtssicherheit im Training und Wettkampf
aktivKANZLEI
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